38
V. Geschichte.
daß die Perioden ungefähr gleichlang waren'. — Die gar nicht seltenen Moor-
leichen waren entweder Verunglückte, oder aber zur Strafe Versenkte, und dies sind
offenbar die meisten gewesen (Tacitus, Germania 12). Kleidung und Haare, von
der Moorsäure fuchsrot gefärbt, sind gut erhalten, die Knochen völlig erweicht. Die
Funde beweisen, daß die Kultur in Gewandung, ihrem Muster und Schnitt, recht
hoch und dieselbe war, welche die Germanen auf verschiedenen römischen Siegesdenk-
mälern tragen.
Eine gewisse Gliederung in Kulturabschnitte läßt sich an Hand der Be-
stattungsarten, der Gräberfunde, aufstellen:
a) Steingräber der jüngeren Steinzeit mit einer großen, meist aus unbehauenen
Steinblöcken hergestellten Grabkammer. Unverbrannte Leichen. Dolmen — über-
irdische Grabkammern oder Ganggräber; Cromlechs — kreisrunde oder auch recht-
winklige Steinsetzungen2. Die „Sieben Steinhäuser"3 bei Fallingbostel, die Lübben-
steine* bei Helmstedt. Das größte Steingrab liegt bei Hekese, Kreis Bersenbrück,
86 m lang. Älteste Funde germanischer Töpferkunst mit mannigfaltigen, schönen Formen.
b) Grabhügel mit Steinaufbau und Hockergräber mit hockender Stellung der
Leiche. Zunehmen der Leichenverbrennung, Verfall der Töpferei.
c) Hügelgräber mit kleinen Steinkisten, welche die Asche des verbrannten
Leichnams enthalten.
d) Urnenfriedhöfe bis in den Beginn der christlichen Zeit, also bis ins
8. Iahrh. n. Chr. An Hand der Funde von Töpferwaren in England läßt sich sicher
die Verbreitung der „Angelsachsen" aus unserer Heimat nachweisen.
Die Wallburgen sind in unserem Gebiete zu mehreren Dutzenden vorhanden
und teilweise in ansehnlichen Überresten erhalten, so die Pippinsburg und das Bülzen-
bett bei Lehe, auf dem Deister die Heister-, die Wirkes- und die Vennigser Burg, auf
dem Elm die Reitlingsburgen. Sie entstammen sehr verschiedenen Zeitaltern, viele
werden als sächsisch, davon im Lüneburgischen eine große Zahl als Grenzplätze gegen
die Wenden, einige als fränkisch, kaum eine als römisch angesprochen. Römisch sind
wohl einige der Knüppeldämme — ponte8 longi —, die unsere Moore durchziehen,
aber sie kommen zahlreich auch in Gebieten vor, die nie ein römisches Heer betreten hat.
2. Zur Zeit des Kaisers Augustus war unser Land ganz von germanischen
Stämmen bewohnt. Die wichtigsten waren: die Cherusker, von der Weser bis
zum Harz und darüber hinaus; nördlich von ihnen die Angrivarier? die Lango-
barden im Lüneburgischen (Bardowiek?)! an der Nordseeküste die Chauken und
westlich von ihnen die Friesen, südlich von diesen die Ampsivarier im Emsgebiete.
Den Cheruskern und ihrem Fürsten Hermann war es beschieden, Deutschland
von den Römern zu befreien. — 9 n. Chr. Schlacht im Teutoburger Walde, 16 bei
Idistaviso und am „Grenzwalle der Angrivarier".
1 (Es ist klar, daß auf dem Forum Romanum nach der „Gründung der Stadt"
keine Gräber mehr angelegt werden konnten. Die Vergleichung der Gräberfunde
ergibt in der Tat, daß die letzten aus der ersten Hälfte des 8. Iahrh. stammen und
daß hier die vorgeschichtliche mit der geschichtlichen Zeitrechnung zusammentrifft. Das
ist die Probe auf das Exempel.
2 S. Bilderanhang S. 68.
» Der größte der noch vorhandenen fünf Dolmen wird bedeckt durch einen einzigen
Block von 4,82 X 4,38 m, 0,72 m dick, 1646 Zentner schwer.
4 Das größte der beiden Gräber ist 17,8 rn, die Grabkammer selbst 9,5 m, ein
Deckstein fast 3 m lang und wiegt fast 7669 kg. — Andree, Braunschweiger Volks-
kunde. Braunschweig 1961. S. 8 ff.
TM Hauptwörter (50): [T9: [Tempel Stadt Kirche Säule Zeit Gebäude Bau Mauer Haus Dom], T48: [Land Rhein Reich Volk Sachsen Römer Franken Jahr Karl Gallien], T13: [Stadt Elbe Hamburg Berlin Provinz Bremen Land Lübeck Hannover Weser]]
TM Hauptwörter (100): [T43: [Zeit Volk Jahrhundert Geschichte Reich Staat Leben Kultur Deutschland Mittelalter], T91: [Haus Fenster Wand Stein Dach Zimmer Holz Feuer Raum Decke], T57: [Weser Stadt Hannover Harz Osnabrück Leine Kreis Aller Land Elbe], T65: [Reich Italien Land Kaiser Römer Volk Jahr Rhein Gallien Franken], T40: [Fabrik Maschine Industrie Arbeiter Stadt Weberei Arbeit Herstellung Handel Art]]
TM Hauptwörter (200): [T38: [Weser Elbe Hannover Land Stadt Lüneburg Leine Nordsee Aller Bremen], T115: [Tempel Stadt Rom Zeit Athen Pyramide Bau Ruine Denkmal Säule], T127: [Volk Sprache Land Zeit Sitte Kultur Bildung Geschichte Bewohner Stamm], T91: [Geschichte Krieg Zeit Zeitalter Mittelalter Revolution Reformation deutsch Jahrhundert Ende], T72: [Kloster Kirche Jahr Bischof Kaiser Karl Otto Dom Grab Leiche]]
Extrahierte Personennamen: Kreis_Bersenbrück Iahrh Augustus Hermann Idistaviso Iahrh Andree
Extrahierte Ortsnamen: Fallingbostel Helmstedt England Heister- Deutschland
46
Vi. Die Bevölkerung und ihr Leben und Treiben.
Die Bauernkunst, die farbenliebende, humorvolle, derbe, die mit treffsicherem
Sinne fast immer das für die Umgebung Geeignete, für den jeweiligen Zweck am
besten Verwendbare in Hausschmuck, Hausgerät, Kleidung, Wagen, Schiffen usw. zu
finden wußte, schwindet mit der ehemaligen Heimstätte. Ihre Erzeugnisse schmücken,
fremdartig dreinschauend, überallher zusammengekauft, die Zimmer der Städte, und
wohlmeinend müht sich jetzt die Volkskunde, den ländlichen Handwerker mit
neuem Mute zum Schaffen zu beleben.
Im Braunschweigischen reicht das sächsische Haus im ganzen südwärts etwa
bis an die Bahnlinie Hildesheim —Braunschweig — Helmstedt, mit Ausnahme der
Hauptstadt, deren älteste Häuser das Gepräge der thüringischen Abart des frän-
Kischen Hauses tragen, das südlich von jener Linie herrscht. Der Vorsfelder Zipfel
gehört zum Gebiete der Rundlingsdörfer. Im Lande Braunschweig wird noch besonders
viel das Walmdach gefunden, das alle vier Seiten des Langhauses deckt, an den
Längsseiten besonders tief herabreichend. Sprüche an den braunschweigischen Bauern-
häusern': „Gott gebe allen, die mich kennen, was sie mir gönnen."
Wo Gott nicht selber baut das Haus,
Da richtet keine Müh was aus.
Hier baun wir alle feste
Und sein nur fremde Gäste.
Gegenüber den vielen Klagen, daß unsere Landbevölkerung zu entarten drohe
durch das Einwandern fremdsprachiger Arbeiter, die anfangen sich dauernd nieder-
zulassen, ist festzustellen, daß Hannover 1910 nächst Hessen-Nassau mit 98,9 Hundert-
teilen Deutschredenden noch die „deutscheste" Provinz war. Es haben aber doch die
Fremdsprachigen seit 1995 um 15686 Seelen und im Tausendsatz der Bevölkerung
um 9,2 mehr zugenommen als die Deutschen. Polnischredende waren vorhanden, am
meisten mit 11,1 °/00 im Reg.-Bez. Lüneburg, im Kreise Blumenthal allerdings weit
mehr als Fabrikarbeiter, 7568 oder 2,57 °/00 Holländer, zumeist in Bentheim. —
Unsere beiden Länder besitzen einen wohlhabenden tüchtigen Bauernstand. Der
Hannoversche ist gehoben worden durch das „Höferecht", das die Stellung des „An-
erben" stärkt. Unter seinem günstigen Einflüsse ist 1885—1998 die Zahl der Höfe
von 64999 auf 78999 gestiegen.
2. Religion.
A. Hannover.
a) 2 504805 = 85,1 (85,59) % der Bewohner sind evangelisch. Davon
gehörten 1911: 2332607 = 79 °/0 der lutherischen Landeskirche an; in
der ötadt Hannover waren es 1910: 256767, in Linden 58828 Seelen. Dem
Landeskonsistorium zu Hannover sind untergeordnet die Konsistorien zu Hannover
und Aurich, sowie das kleine Bezirkskonsistorium zu Neustadt a. H. in der
Grafschaft Hohnstein. Der höchste Geistliche ist der Abt von Loccum. Vier
General-Superintendenturen. Landes- und Bezirkssynoden.
135601 =4,6°/0 sind Reformierte. Konsistorium zu Aurich, mit dem
lutherischen vereinigt; dort auch die einzige General-Superintendentur. Die
Reformierten wohnen zumeist in Ostfriesland, den Grafschaften Bentheim
und Lingen (also in der Nähe der überwiegend reformierten Niederlande),
in der Nähe von Bremen, in Hannover 6559, in Linden 2214.
b) Von den 405693 (13,8 gegen 12,4°/» im Jahre 1885) Katholiken
gehören die rechts der Weser wohnenden zum Bistum Hildesheim, die auf
1 Nach Andres, Braunschweiger Volkskunde.
TM Hauptwörter (50): [T13: [Stadt Elbe Hamburg Berlin Provinz Bremen Land Lübeck Hannover Weser], T39: [Jahr Million Geld Mark Arbeiter Arbeit Zeit Summe Staat Thaler]]
TM Hauptwörter (100): [T57: [Weser Stadt Hannover Harz Osnabrück Leine Kreis Aller Land Elbe], T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele], T69: [Kirche Kloster Stadt Schule Bischof Gemeinde Orden Land Priester geistliche], T91: [Haus Fenster Wand Stein Dach Zimmer Holz Feuer Raum Decke], T72: [Bauer Arbeiter Steuer Jahr Stadt Staat Abgabe Gemeinde Land Verwaltung]]
TM Hauptwörter (200): [T38: [Weser Elbe Hannover Land Stadt Lüneburg Leine Nordsee Aller Bremen], T175: [Mensch Leben Natur Körper Seele Tier Thiere Arbeit Erde Pflanze], T43: [Haus Frau Kind Mann Arbeit Wohnung Familie Zeit Zimmer Kleidung], T142: [Stadt Dorf Mauer Haus Burg Straße Kirche Schloß Graben Zeit]]
Pflanzen- und Tierleben. Geschichte.
19
pflanze unseres Gebietes ist die mit glänzenden Blättern ausgestattete Stechpalme
(Hex aquifolium) insofern, als sie einen Klimamesser abgiebt und anzeigt, daß an den
Stätten ihres Vorkommens eine mittlere Jahreswärme von mindestens + C. und
eine mittlere Januartemperatur von etwa 0" herrscht. Nur wenige Teile unseres Ge-
bietes sind ihr verschlossen, und ihr fossiles Vorkommen zwischen zwei Schichten, die ge-
nügeud die Annahme längerer Kältezeiten rechtfertigen, ergiebt allein schon mit Sicherheit
das Vorhandensein einer einmaligen Jnterglacialzeit (s. S. 11). — Über Waldbedeckung
und landwirtschaftliche Pflanzen f. S. 37, über die Moore S. 12.
Die Tierwelt unseres Gebietes bietet recht wenig von derjenigen der benachbarten
Gebiete Abweichendes. Recht häufig ist noch in den Gewässern die Fischotter; der
Edelhirsch wird noch in einigen eingehegten Jagdbezirken, wie in der Göhrde und im
Saupark, gefunden, hier und im Solling ebenso das Wildschwein. Dem Seehund,
der ein so gefährlicher Feind der Fische ist, wird an den Nordsee-Jnseln eifrig nachgestellt,
die Seemöwe hingegen, die mindestens ebenso schädlich ist, auf einigen von jenen Inseln
wegen ihrer Eier geschützt. Der Granat- oder Garneeleu-Fang liefert an den Küsten
eine lohnende Ausbeute. „Entenfänge" bestehen noch an verschiedenen Orten, so
bei Celle. — Die genügsame Heidschnucke, das Charaktertier der Heide, der „Neger-
stamm unter den Schafen", die auszusterben drohte, wird hoffentlich jetzt mehr gezüchtet
werden, da Fleisch und Fell beliebte Handelsgegenstände geworden sind. — Über Vieh-
zucht und Fischerei s. S. 37 f.
V. Geschichte.
1) Die vorgeschichtliche Zeit hat in Höhlen, vor allem in dem das
Begrabene so wohl erhaltenden, tiefen Moore, ebensosehr in den Gräbern, so-
dann in den Befestigungswerken, wie den Langwällen, den sogenannten „Land-
wehren" oder „Schwedenschanzen", die aber viel älter find als die Schwedenzeit,
Spuren der ersten Menschenwelt hinterlassen, die diesen Boden bewohnte.
Eine Besiedlung vor der Einwanderung der Germanen ist hier nicht nach-
gewiesen, und diese muß ziemlich spät, kaum früher als um das Jahr 1000 erfolgt sein.
Sie ist eingetreten in der sogen, neolithischen Periode oder der jüngeren Steinzeit.
Die Funde an Waffen und Werkzeugen bestehen ganz überwiegend aus Stein- und
Töpferwaren, jedoch scheinen weder Bronze (eine Mischung aus etwa 90% Kupfer
und 10 % Zinn), noch Eisen, noch Edelmetalle selbst in der ältesten Zeit ganz gefehlt zu
haben, so daß von einer „metalllosen Zeit" hier nicht wohl die Rede sein kann. Jedoch
sind diese Metallgegenstände bis in die römische Zeit ganz überwiegend aus älteren Kultur-
läudern, also aus dem Süden, von Händlern herbeigebracht. Die Bronze, die am
häufigsten gefunden ist, diente zu Schmuckwaffen und andern Ziergegenständen, das Eisen
wird vielleicht deshalb in den Fundstätten aus der ältesten Zeit weniger gefunden, weil
es leichter vergänglich ist. Eine gewisse Gliederung iu Kulturabschnitte läßt sich am
besten an der Hand der Bestattungsarten, der Gräberfunde, aufstellen:
a. Steingräber mit einer großen, aus unbehauenen Steinblöcken hergestellten
Grabkammer. Unverbrannte Leichen. Die „7 Steinhäuser"2) bei Fallingbostel. Das
größte Steingrab liegt bei Hekese, Kreis Bersenbrück, 86 m lang. Älteste Funde ger-
manischer Töpferkunst mit mannigfaltigen, schönen Formen3).
./) Die Bemerkungen über die vorgeschichtliche Zeit folgen den Darlegungen in der
Schrift „Unsere Vorzeit" von F. Tewes. Hannover 1888.
2) Der größte der noch vorhandenen 5 Dolmen wird bedeckt durch einen einzigen Block
von 4,82x4,38 m, 0,7 2 m dick. Einer zeigt die Spuren eines Ringwalls oder Cromlechs.
3) An der Hand der Funde von Töpferwaren in England läßt sich sicher die Ver-
brettung der „Angelsachsen" aus unserer Heimat nachweisen.
2*
TM Hauptwörter (50): [T30: [Tier Vogel Mensch Pferd Hund Fisch Thiere Nahrung Eier Wasser], T38: [Boden Wald Land Wiese Wasser Berg Fluß Feld See Dorf], T49: [Land Klima Europa Meer Lage Asien Winter Insel Afrika Zone]]
TM Hauptwörter (100): [T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele], T84: [Vogel Tier Eier Fisch Mensch Hund Nahrung Thiere Insekt Art], T70: [Boden Teil Land Wald Gebirge Ebene Gebiet See Klima Tiefland], T6: [Eisen Gold Silber Kupfer Wasser Blei Metall Salz Kalk Stein], T91: [Haus Fenster Wand Stein Dach Zimmer Holz Feuer Raum Decke]]
TM Hauptwörter (200): [T107: [Eisen Gold Silber Kupfer Blei Metall Salz Zinn Stein Mineral], T95: [Gestein Schicht Wasser Boden Erde Granit Gebirge Masse Sand Teil], T91: [Geschichte Krieg Zeit Zeitalter Mittelalter Revolution Reformation deutsch Jahrhundert Ende], T195: [Pferd Tier Hund Schaf Löwe Wolf Rind Mensch Schwein Thiere], T185: [Jagd Viehzucht Bewohner Ackerbau Jäger Fischfang Wald Fischerei Krieg Land]]
20
Landeskunde von Braunschweig und Hannover.
b. Grabhügel mit Steinaufbau. Zunehmen der Leichenverbrennung, Verfall der
Töpferei.
c. Hügelgräber mit kleinen Steinkisten, welche die Asche des verbrannten Leich-
nams enthalten.
ä. Urnenfriedhöfe bis in den Beginn der christlichen Zeit, also bis ins 8. Jahrh.
nach Chr.
2) Zur Zeit des Kaisers Augustus war unser Land ganz von germanische»
Stämmen bewohnt. Die wichtigsten waren: die Cherusker, von der Weser bis zum
Harz und darüber hinaus; n. von ihnen die Angrivarier; die Langobarden im
Lüneburgischen lbardowiek?); an der Nordseeküste die Chauken.
Den Cheruskern und ihrem Fürsten Hermann war es beschieden, Deutschland
von den Römern zu befreien. — 9 u. Chr. Schlacht im Teutoburger Walde und
16 bei Jdistaviso und am „Grenzwalle der Angrivarier".
3) Während der Völkerwanderung haben sich die Völkerschaften in nnse-
rem Lande zum Stamme der Sachsen gesammelt, der fast das ganze n.w. Viertel
des heutigen Deutschen Reiches besaß. Er gliederte sich in 3 Teile:
a. Westfalen, von der Lahn bis fast zur Mündung der Hunte.
b. Ostfalen, zwischen Leine, Unstrut und Elbe bis etwa nach Harburg.
c. Engern, zwischen beiden bis an die Nordsee.
Die Friesen an der Nordsee teilten meistens die Schicksale Sachsens;
im n.ö. Dreieck des R.b. Lüneburg sind Wenden (Slawen) znr Herrschaft
gekommen.
782—804. Sachsenkriege Karls des Großen.
785. Angebliche Hinrichtung von 4500 Sachseu bei Verden [feljrben] an der Aller.
Die Kämpfe zwischen Wittekind (Widnkind) und Karl d. Gr. und die Vernich-
tung des Heidentums haben im Volke den nachhaltigsten Eindruck hinterlassen. Sagen
knüpfen an vielen Stätten an diese Ereignisse an; dazu gehören die Karlssteine bei Osna-
brück, die Klosterkirche von Enger in Westfalen, Burg Wittekinds Babilönie im West-
Süntel, Wittekindsberg mit der Witt.-Kapelle und der Witt.-Quelle an der Westfälischen
Pforte u. a. m.
Während noch in den Sachsenkriegen der Stamm kaum irgendwo ganz
geeint auftritt, vollzieht sich diese Einigung in der folgenden karolingischen Zeit,
und bereits um die Mitte des 9. Jahrhunderts finden wir
4) das Stammesherzogtnm Sachsen. Es erstreckte sich zur Zeit seiner
größten Bedeutung im 12. Jahrh. so ziemlich über das heutige Westfalen,
Hannover und Braunschweig mit eingeschlossenen Gebieten, Holstein und einen
Teil von Mecklenburg.
a. Die Ludolfinger, als Herzöge 852—1)61; als deutsche Könige
919—1024, als römische Kaiser 962—1024. Das Geschlecht rühmte sich
der Verwandtschaft mit dem Geschlechte Wittekinds und durch Heirat auch mit
den Karolingern.
Ludolf, 852—874. Sein Sohn
Bruno, 874—880, fiel in diesem Jahre in einer großen Schlacht gegen die Nor-
mannen bei Eppendorf, in der Gegend von Dannenberg. Sein Bruder
Otto der Erlauchte, 880—912, brachte sein Herzogtum auch im Kampfe gegen
die letzten Karolinger zu solchem Ansehen, daß ihm die deutsche Krone angeboten wurde.
Er lehnte sie ab. aber sie fiel 919 seinem Sohne
Heinrich I. dem Städtegründer, 912—936, zu, der die dem Stadtleben ab-
holden Sachsen dennoch zum Schutze gegen die Ungarn in die Burgen führte, ein Reiter-
Heer fchnf, mit diesem den weit vorgedrungenen Slawen Achtung einflößte und 933 durch
TM Hauptwörter (50): [T48: [Land Rhein Reich Volk Sachsen Römer Franken Jahr Karl Gallien], T46: [Heinrich König Otto Kaiser Sohn Herzog Karl Ludwig Sachsen Jahr]]
TM Hauptwörter (100): [T57: [Weser Stadt Hannover Harz Osnabrück Leine Kreis Aller Land Elbe], T83: [Karl Heinrich König Otto Sohn Reich Kaiser Sachsen Ludwig Herzog], T43: [Zeit Volk Jahrhundert Geschichte Reich Staat Leben Kultur Deutschland Mittelalter], T65: [Reich Italien Land Kaiser Römer Volk Jahr Rhein Gallien Franken], T91: [Haus Fenster Wand Stein Dach Zimmer Holz Feuer Raum Decke]]
TM Hauptwörter (200): [T10: [Sachsen Karl Franken König Land Jahr Chlodwig Reich Krieg Volk], T38: [Weser Elbe Hannover Land Stadt Lüneburg Leine Nordsee Aller Bremen], T72: [Kloster Kirche Jahr Bischof Kaiser Karl Otto Dom Grab Leiche], T171: [Heinrich Otto Herzog Kaiser König Friedrich Sohn Konrad Sachsen Schwaben], T19: [Reich deutsch Kaiser Reiche Zeit Karl Jahr Ende Konstantin groß]]
Extrahierte Personennamen: Augustus Hermann Karls Karl_d Karl Ludolf Bruno Otto Heinrich_I.
Bevölkerung. — Volksteile. Religion.
35
Vii. Die Bevölkerung und ihr Leben und Treiben.
1) Volkstcile. Den weitaus größten Teil der Bevölkerung bilden die
Niedersachsen; Friesen wohnen in Ostfriesland, an der Weser unterhalb
Bremens (namentlich im Lande Wursten) und im Alten Lande; im Harze
kleine Teile von Franken, Hessen und Schwaben und Einwanderer aus dem
Sächsischen Erzgebirge (um 1520), zu dem Mischstamme der Harzfranken der-
einigt. Die slawischen Bewohner des Wen dl and es sind den Niedersachsen
ähnlich geworden, und ebenso ist es im Werder gegangen, dem n.ö. Zipfel
von Br., im Amte Vorsfelde am Drömliug, wo ehemals slawisches Volkstum
herrschte und wo noch Rundlingsdörfer zu finden sind, so Rühen und Eischott.
Friesisch wird als Volkssprache nirgends mehr geredet, an seine Stelle
ist das Platt- oder Niederdeutsch der Niedersachsen getreten, das als
Volkssprache, freilich durch das Hochdeutsche sehr zurückgedrängt, noch fast das
ganze Gebiet beherrscht. Am S.-Rande des Harzes von Osten bis nach Walken-
ried und Sachsa überwiegt der mitteldeutsche Sprachstamm der Thüringer,
während die Bergstädte der oberdeutschen (oberharzischen) Mundart an-
gehören: aber die andern Teile des Harzes, namentlich die S.w.- und die
N.w.-Seite reden uiederdeutsch. Der Name der Bode hingegen ist aus der
slawischen Grundform bada — Wasser entstanden.
Im Berg- und Hügellande des S.o. überwiegt bei der Landbevölkerung der zwei-
stöckige, aus Fach- und Flechtwerk errichtete fränkische Hausbaus. Das „Platzgebäude"
des wohlhabenden Friesen zerfällt in das von einem mächtigen Dache geschützte, im
Innern viergeteilte Wirtschafts- und das angehängte quadratische Wohngebäude. Der
größte Teil der Landleute aber verharrt bei dem sächsischen Hause, in dem sich das
ganze Wirtschaftsleben um die große Diele dreht. S. Bilder und Grundriß S. 47 f.
Das anheimelnde Strohdach aber weicht notgedrungen immer mehr dem Ziegeldach, und
städtische Bauweisen drängen sich immer mehr ein 2). Das Wahrzeichen des sächsischen
Hauses sind zwei Pferdeköpfe aus Holz, vorn am Giebel befestigt, auf dem Hause der
Altländer zwei Schwäne. Die Pferdeköpfe heißen auch wohl „Kraienstol" — Krähen-
stuhl oder „Ulensinrn" = Eulengiebel. Sind die Köpfe einander zugewandt, so scheinen
sie das ehemalige Gebiet der Langobarden, die nach außen schauenden dasjenige der
Sachsen zu bezeichnen. Die „Giebelsäulen" im Gebiete des Teutoburger Waldes, w. bei
Osnabrück, am Dümmer, n. bis Petershagen und Luthe bezeichnen vielleicht das Land
der Engern (?).
2) Religion.
Braunschweig.
a. 407112 (93,8 % gegen 95 % i. I. 1885) E. bekennen sich zur
lutherischen Landeskirche. Unter dem Konsistorium zu Wolfenbüttel stehen
4 Generalinspektionen und die Parochie Thedinghausen. Jede dieser Inspektionen
bildet eine eigene Synode, Kirchengesetze aber können nur vou der Landes-
Synode erlassen werden, die aus 14 geistlichen und 18 weltlichen Mitgliedern
besteht. Synodal-Ansschnß.
~ x~o un^ Geographie, Größte Ausgabe, Bilderanhang
0. D < V/~~— Ooz.
2) Das wirklich echte sächsische Haus wird immer seltener, so daß schon von dem
Plane geredet wird, ein solches abzubrechen und zur Erinnerung in der Hauptstadt
Hannover wiederaufzubauen.
3*
TM Hauptwörter (50): [T13: [Stadt Elbe Hamburg Berlin Provinz Bremen Land Lübeck Hannover Weser], T22: [Volk Bewohner Sprache Land Bevölkerung Einwohner deutsche Religion Million Stamm], T18: [Gebirge Berg Teil Rhein Höhe Wald Fluß Alpen Seite Donau]]
TM Hauptwörter (100): [T57: [Weser Stadt Hannover Harz Osnabrück Leine Kreis Aller Land Elbe], T95: [Bewohner Sprache Volk Land Bevölkerung deutsche Stamm Religion Neger Einwohner], T70: [Boden Teil Land Wald Gebirge Ebene Gebiet See Klima Tiefland], T91: [Haus Fenster Wand Stein Dach Zimmer Holz Feuer Raum Decke], T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele]]
TM Hauptwörter (200): [T38: [Weser Elbe Hannover Land Stadt Lüneburg Leine Nordsee Aller Bremen], T159: [Bewohner deutsche Bevölkerung Sprache Neger Volk Jude Einwohner Stamm Land], T14: [Gebirge Wald Teil Höhe Berg Harz Thüringer Bergland Gebirg Weser], T125: [Haus Stein Fenster Dach Holz Stroh Winter Erde Wand Wohnung], T194: [Kirche Kloster Schule geistliche Gottesdienst Gemeinde Geistliche Leben Staat Priester]]
26. Der Altstädter Markt zu Hildesheim bietet ein fesselndes Bild von einheitlicher Schönheit aus der Zeit des Überganges vom Mittelalter in die
Neuzeit. Der Kern des gotischen Rathauses ist um die Mitte des 15. Jahrhunderts entstanden und hat dann mancherlei Zubauten und Veränderungen erfahren.
Das sogenannte „Tempelherrenhaus" rechts mit eigenartiger spätgotischer Schauseite war ein Patrizierhaus aus derselben Zeit. Das Wedekindsche Haus, weiter
rechts, ist ein Fachwerkbau der Renaissance, bis in die Giebel hinauf mit Schnitzwerk reich verziert.
TM Hauptwörter (50): [T9: [Tempel Stadt Kirche Säule Zeit Gebäude Bau Mauer Haus Dom], T4: [Reich Zeit Staat Volk Deutschland Jahrhundert Land Macht deutsch Geschichte]]
TM Hauptwörter (100): [T13: [Kirche Dom Zeit Bau Denkmal Kunst Tempel Bild Werk Stadt], T91: [Haus Fenster Wand Stein Dach Zimmer Holz Feuer Raum Decke], T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele]]
TM Hauptwörter (200): [T0: [Kirche Haus Gebäude Stadt Straße Säule Platz Fenster Seite Palast], T105: [Stadt Dom Jahrhundert Zeit Bau Kirche Rhein Baukunst Deutschland Mainz], T54: [Staat Zeit Volk Deutschland Leben Reich Jahrhundert Macht Entwicklung Gebiet]]
1. Volksteile. — Hausbau.
45
Im Berg- und Hügellande des 30 überwiegt bei der Landbevölkerung der zwei-
stöckige, aus Fach- oder Flechtwerk errichtete fränkische Hausbau, mit getrennten
Ställen und Scheunen einen viereckigen Hof einrahmend. S. Bild S. 72. Das „Platz-
gebäude" des wohlhabenden friesischen Bauern (in Holstein „Heuberg" oder „Barg-
hus") vereinigt das von einem mächtigen Dache geschützte, im Innern viergeteilte
Wirtschafts- mit dem angehängten quadratischen Wohngebäude. Es sieht stattlich,
aber nüchtern aus und dringt jetzt weit auf den sächsischen Boden vor, weil es billiger
ist und als praktisch gelobt wird.
Dem niedersächsischen Bauernhause ist eine Schar begeisterter Lobredner er-
wachsen, nun es zu verschwinden droht und die Landschaft, in die es sich wie ein
Glied der Natur selbst hineinschmiegte, um ein gutes Stück ungesuchter Poesie ärmer
wird. Es ist entstanden aus dem Schafstalle, an dessen langgestrecktem Bau aus
Holz und Flechtwerk sich allmählich alle andern Räumlichkeiten angegliedert haben,
wie noch heute sich das ganze Wirtschaftsleben auf seinem „Atrium", der „Großen
Diele", abspielt und alle andern Räume nur als Anhängsel erscheinen. Die Mittel-
dreschdiele als Stallgasse, auf welche die Köpfe des beiderseits eingestallten Viehs
gerichtet sind, das große vierflügelige Einfahrtstor und hinter der Großen Diele die
Flett-(Wohn-)Diele mit dem Herdfeuer sind das Kernstück des sächsischen Hauses. Die
der Großen Diele „angeklappten" niedrigeren Seitenschiffe mit den Ställen heißen
Kübbung, und das Kübbungshaus war das bei uns zulande herrschende. Menschen,
Großvieh, Kleinvieh, Ackerfrüchte, Herr und Knecht, Stall und oft auch Bett —
alle in demselben vom Rauche des Herdfeuers erfüllten und gebeizten Räume, ohne
daß Gesundheit und sozialer Friede darunter litten. Dem „Einbau" oder „Langhause"
gibt sein Gepräge das anheimelnde Strohdach, auf das die Pflanzenwelt der Um-
gebung im Laufe der Jahrzehnte langsam hinaufwanderte. Dieses Dach wird nun
freilich kaum mehr zu halten sein, aber es wird auch überhaupt kein niedersächsisches
Bauernhaus mehr gebaut, nur veränderte Nachbildungen mit Ziegeldächern und "
Schornsteinen. Solche Eichenbalken, wie sie zu einem gerechten Gebäude gehörten —
30 m lang und darüber —, sind kaum noch für teures Geld zu haben. Dazu
kommt das Bedürfnis nach weiteren Nebengebäuden, die unentbehrlichen Maschinen
aufzunehmen, wodurch die Große Diele wiederum entbehrlich wird. Damit nun
nicht das Allerweltshaus des Städters oder gar das Vorstadthaus das Land über-
schwemmt und damit nicht mit dem Bauernhause auch das Bauernleben verschwindet,
sind schon mancherlei Versuche angestellt worden, einen Bau — wenn es sein muß,
aus Eisen und Zement — zu schaffen, der den Zwang der Neuzeit mit alten Gewohn-
heiten versöhnen soll, und in neuester Zeit stoßen wir auch auf Bauten, die Wohl-
gefallen erwecken können. In Westfalen sind sie schon häusiger, und den Bauern
fehlt es nicht mehr an guter Bauberatung. — Das Wahrzeichen des sächsischen Hauses
sind zwei Pferdeköpfe aus Holz, vorn am Giebel ausgesägt, auf dem Hause der Alt-
länder zwei sich in die Brust beißende Schwäne (siehe auch S. 71). Die Pferdeköpfe
heißen auch wohl „Kraienstol" — Krähenstuhl oder „Ulenfiärn" — Eulengiebel. Die
Bewunderer dieses sinnbildlichen Schmuckes hoffen ihn auf die Zeiten Widukinds und
noch viel weiter zurückleiten zu können- aber wir dürfen nicht verkennen, daß solche
Giebelzierden zunächst bautechnisch bedingt sind. Ebenso ist die Frage, ob die nach
außen schauenden Pferdeköpfe das Gebiet der Sachsen, die einander zugewandten die
ehemaligen Wohnsitze der Langobarden bezeichnen, so lange nicht spruchreif, bevor
ihr Vorkommen nicht wenigstens genau kartiert ist. Die „Giebelsäulen" im Gebiete
des Teutoburger Waldes, westlich bei Osnabrück, am Dümmer, nördlich bis Petershagen
und Luthe bezeichnen vielleicht das Land der Engern (?); im Kreise Zeven kommt
das Kreuz als Giebelzierde vor. Hadeln und Kehdingen kennen keinen das Dach
überragenden Giebelschmuck, aber lieben es, den Giebel mit buntbemalten, auch wohl
zu Figuren ausgesägten Brettern zu verkleiden.
TM Hauptwörter (50): [T5: [Haus Tag Kind Hand Herr Tisch Mann Fenster Wagen Pferd]]
TM Hauptwörter (100): [T91: [Haus Fenster Wand Stein Dach Zimmer Holz Feuer Raum Decke], T54: [Haus Feld Bauer Dorf Pferd Stadt Vieh Land Wald Mensch], T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele], T57: [Weser Stadt Hannover Harz Osnabrück Leine Kreis Aller Land Elbe], T70: [Boden Teil Land Wald Gebirge Ebene Gebiet See Klima Tiefland]]
TM Hauptwörter (200): [T125: [Haus Stein Fenster Dach Holz Stroh Winter Erde Wand Wohnung], T52: [Arbeiter Arbeit Zeit Betrieb Jahr Fabrik Maschine Staat Preis Kapital], T81: [Herz Himmel Gott Welt Lied Leben Auge Erde Land Nacht], T38: [Weser Elbe Hannover Land Stadt Lüneburg Leine Nordsee Aller Bremen], T0: [Kirche Haus Gebäude Stadt Straße Säule Platz Fenster Seite Palast]]
Niedersächsisches Bauernhaus.
71
18. Niedersächsisches Bauernhaus. Da im Nordwestdeutschen Tieflande der Ackerbau meist
mit Viehzucht verbunden ist, entwickelten sich schon in alten Zeiten die Langhäuser. Sie ver-
einigen die menschliche Wohnung mit dem Vieh- und Scheunenraum unter einem Dache und ermög-
lichen dem Landmanne eine bequeme Wartung des Viehes. Die Futterkrippen liegen unmittelbar
an der langen Diele, die vom Tor bis zum offenen, schornsteinlosen Herde das Haus durchzieht.
Ig. Diele eines niedersächsischen Bauernhauses. Die Tür im Hintergrunde links führt in
die Kammern, rechts in die gute Stube. Im allgemeinen spielt sich das tägliche Leben auf der Großen
Diele und um den Herd ab. In älteren Gebäuden ragt dieser kaum in Fußhöhe auf.
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